Aus einem eher konservativen Umfeld stammend, ist die Nacktheit größtenteils ein Tabuthema und wirkt selbst in kleinen Kreisen eher als ein verruchtes, negatives "Ding".
Leider ist die nackte Welt durchzogen von herablassender, oft auch unwürdiger Herangehensweise die Erotik und Nacktheit im Bereich der Kunst anzuerkennen.
Zum Glück durfte ich auch schon sehr viele spannende und offene Gespräche haben mit Leuten die sich schon mit der Thematik länger und auch aktiver befassen. Ich rede hier nicht von Exhibitionismus oder FKK, sondern von der generellen Ansicht und Tabuthematisierung von Erotik, Leidenschaft und Freude an der schönen Schopfung, wie auch immer sie jetzt aussehen mag, zum Glück liegt dies im Auge des Betrachters und wird nicht in Paris, Mailand oder sonstwo definiert.
Natürlich möchte niemand Objektifiziert (also als ein "Ding" / nur der Hülle wegen) betrachtet werden. Liegt doch aber die Leidenschaft, Begierde und Lust genau in diesem ersten Augenblick, etwas zu wecken das man oft nicht beschreiben braucht oder garnicht erklären möchte, weil es einfach funktioniert in uns. Sei es durch Hormone, Sinnlichkeit oder anderen Gründen.
Sinnlichkeit und Begierde
Diese beiden sind ein Grundaspekt von Erotik und dadurch beinahe untrennbar von Objektifizierung und Oberflächlichkeit. Aber sind sie deswegen schlecht?
In meinen sehr vielen Gesprächen mit offenen Menschen ist mir aufgefallen, dass vieles der Ansichten (was gut und was böse ist) uns zuerst beigebracht und später tabutisiert wurde. Worüber man nicht spricht, darüber kann man auch nicht nachdenken. Andere hingegen denken sehr offen über alles nach. Und so erhalten wir ein extrem breites Spektrum von "das geht mal garnicht" über "das gefällt mir" bis hin zu "das ist ja der Hammer, das muss ich haben".
Denken und empfinden wir nicht ähnlich bei tausend andern Dingen im Alltag, sei es wenn wir ein tolles Auto sehen, oder uns über die fantastische Urlaubsreise und die Bilder von jemand anderem
erfreuen und auch neidisch sind das ein oder andere Objekt der Begierde nicht haben zu können?
So ist es doch auch oft als Betrachter von Erotik.
Kraft der Erotik?
Erotik geht oft tiefer... darf sie... soll sie auch!
Die Kraft der Erotik und Sinnlichkeit ist doch erst dann an ihrem Höhepunkt wenn der Kopf zu Träumen beginnt.
In meinen Gesprächen mit Leuten die schon öfter nackt vor der Kamera standen, oder gar nackt vor Studenten Modell saßen, waren die Meinung immer recht ähnlich. Leute die sich an Erotik grundsätzlich stören, sind meistens jene die sich selbst unwohl fühlen in ihrer Haut und sich deshalb dadurch angegriffen fühlen. Das ist traurig.
Am schönsten wäre doch, wenn wir Erotik als etwas reines sehen könnten, das nur zwischen zwei Menschen bestehen darf. Diese Reinheit ist was edles, ein gutgemeintes Ziel. Leider ist sie auf der
anderen Seite auch ein Stolperstein für jeden Selbst, denn sie läuft Gefahr unterdrückt zu werden, letzten Endes auch unter zwei Menschen.
In den 60er Jahren, als die Männer durchdrehten wenn sie ein wenig Spitze an Frau sehen durften.
In den 20er Jahren waren es schon die Knie oder Fußknöchel, die Männer gern mit Hochgezogenen Augenbrauen betrachteten.
Zum Glück kommt Erotik, Sinnlichkeit und Begierde, wieder mehr in aller Munde um es zu besprechen. Damit die Leute auch mal ihre eigene Sicht davon diskutieren können. Statt so schöne Themen in
unserem Leben gänzlich unter bösen Worten zu verteufeln.
Keiner soll oder muss sich nackt auf die Straße stehen und "alles" zeigen. Das ist auch oft nicht das was andere sehen wollen... wie heißt es schon seit vielen Jahrzehnten, weniger ist
oft mehr.
Und so ist, nur Kleinigkeiten zu zeigen oder anzudeuten, oft viel wirkungsvoller für das Auge und für unser Gehirn, als alles zu zeigen.
Der schmale Grad
Es gibt sehr viele gute Dokumentationen, welche die Spannweite der unterschiedlichen Sichtweisen sehr gut analysieren und beleuchten, getrost kann man dennoch sagen dass dies alles nur Versuche sind so komplexe Dinge aufzuzeigen. Denn Erotik ist ein Mix aus
- Was darf ich
- Was will ich
Jeder definiert seinen Standpunkt was noch Erotik ist oder was schon "zuviel" oder "zu wenig" ist für sich selbst. Und das ist absolut gut so! Das ist Kunst... 100 Leute sehen ein Bild, und 100
verschiedene Meinungen sind vorhanden. Jeder auf seine Weise, auf seine Perspektive.
Ich versuche
in meinem schöpferischen Künstlerleben die Bandbreite zu erweitern und herauszufinden was ich als wertvoll erachte umzusetzen und zu zeigen.
Ein Kernpunkt meiner Arbeit ist natürlich auch mein Gegenüber, das Modell.
Als Künstler wünscht man sich Werkzeug (in dem Fall Modelle) mit denen man exakt seine Ideen umsetzen kann. Oft geht das aber nicht, oft sind die Rahmen klar gesteckt. Und das ist gut und
wichtig. Niemand ist ein Objekt!
Erotik in seinem Ursprung hat immer einen Teil Reinheit und einen Teil verruchtheit. Weil der Kopf auf eine Reise geht. Und genau hier liegt oft die Angst der Personen auf die Nacktheit
einzugehen.
Leute die darüber nachgedacht haben und mir ihre Meinung dazu sagten, sind größtenteils der Auffassung dass der erste optische Reiz, der einen Anspricht, überhaupt nichts schlechtes
ist.
Immer häufiger höre ich von Leuten, die es einfach mal riskieren wollen nackt zu sein. Die ihre gelehrte Grenze übertreten möchten und näher an die Grenze kommen die sie für sich selbst sehen und
empfinden. Mit dem Ergebnis, dass sie sich oft danach leichter fühlen als zuvor. Freier. Mit einer anderen, klareren Sicht auf Scham, Respekt und einem feineren Verständnis dazu, wann Erotik (für
sie selbst, als Modell) beginnt.
Erotik zu fotografieren ist also nicht einfach nur (halb) nackte Leute zu fotografieren. Sondern immer auch eine Art Wegbegleitung eines Modells. Besonders bei Leuten die zum ersten mal den Schritt machen nackt vor jemandem zu sein mit dem man nichts sexuelles teilt. In einem Moment in dem es einfach nur um Kunst geht, um die Stärke und Präsenz von sinnlicher, manchmal kreativer verspielter Erotik.
Genug der vielen Worte nun. Ich könnte hier noch ewig schreiben.
Viel lieber würde ich gerne meine Modelle und die vielen anderen Gesprächspartner/innen um Briefe und Zitate bitten, welche Ihre Meinung dazu äußen dürfen.
Aber ohne Namen einfach Texte zu veröffentlichen ist auch irgendwie blöd.
Es bleibt eine Reise der vielen Wege. Sei es das man seine Grenzen überschreiten will, oder einfach schöne Kunstwerke erstellen oder sein möchte.
Sei mutig, sei frei, sei du selbst.
Finde dich selbst.
Vielleicht ja auch bei meinem nächsten Shooting?